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La Maternidad de Maria
Vor 2 Wochen habe ich endlich mal meine Kamera zur Arbeit in der Materidad de Maria mitgenommen, um ein paar Fotos von meinen wunderbaren Kindern zu machen. Vorab erst einmal etwas über die Materidad. Es ist eine soziale Einrichtung, die vor allem auf medizinische Hilfe für die ärmere Bevölkerung spezialisiert ist, aber auch Hausbesuche in den ärmeren Gegenden Chimbotes macht, ein Therapiezentrum hat, spezielle Beratung und Unterstützung für Schwangere und eben ein Kinderheim. Von den anderen Abteilungen habe ich bis jetzt noch nicht so viel mitbekommen, dafür aber umso mehr von meinem jetzigen Einsatzort. In dem Kinderheim wohnen zur Zeit 16 Kinder. Der jüngste, Fernando, ist momentan 4 Monate alt und Mary, die Älteste, 6 Jahre. 9 Frauen arbeiten dort in 3 Schichten in einem manchmal ganz schön harten Schichtplan (Frühschicht von 6 Uhr bis 1 Uhr und danach die 12-stündige Nachschicht von 7 Uhr Abends bis 7 Uhr Morgen ist normal). Aber das ändert meistens nichts an ihrer Zuneigung und Liebe für die Kindern. Die meisten Kinder, die bei uns leben sind keine Waisen und viele haben auch Kontakt zu Familienmitgliedern. Mit 3 gehen die Kinder in den Kindergarten; das sind bei uns momentan 4 Kinder. Ich will versuchen ein bisschen über jedes einzelne Kind und seine Geschichte (soweit ich sie kenne) zu erzählen. (Die ersten Fotos sind nach dieser Aufzählung der Kinder geordnet und danach kommen einfach noch ein paar mehr von dem Kinderheim und den Kids).
Morgens ist Patrick der Älteste und definitiv auch der lauteste, mit der meisten Energie. Wie ein Wirbelwind rennt er überall hin, wo ihr keine Tür aufhält. Patrick ist, finde ich, sehr reif für sein Alter. Am Anfang war ich immer sehr überrascht, wenn er dann doch mal geweint hat. Doch auch er hat Tage, an denen er sich immer wieder auf deinen Schoß stehlt und es gar nicht gut findet, wenn du die „Kuschelstunde“ beenden musst. Obwohl Patrick oft rumrennt, ohne auf die Kleineren Rücksicht zu nehmen und auch ganz gerne mal zu haut, wenn ihm etwas nicht passt, gibt es immer wieder Momente, wo seine weiche Seite und sein Schützer Instinkt herauskommt. So kommt es immer wieder vor, dass er zu einer weinenden Sandra oder Gualalupe hinläuft, sie steichelt und „No llora“ (Weine nicht) sagt. Er ist auch der einzige der oft mit Sarita spielt: einem Mädchen, die auf Grund ihrer Behinderung leider nur sitzen kann und durch ihre stille Art oft von den anderen vergessen wird. Zu Patricks Hintergrund weiß ich nicht viel, nur das sein Vater Alkoholiker ist und seine Mutter momentan wieder schwanger.
Dann gibt es noch Hames. Er ist sehr verschmust und versteckt sich, vor allem wenn unbekannte Leute kommen, gerne ganz tief in meinem Schoss. Trotzdem rennt er oft wild rum. Hames beißt ganz gerne mal zu, wenn ihm was nicht passt, und das kann sehr schnell geschehen. Doch seine kleinen Heulattacken sind meisten so schnell wieder vorbei wie sie gekommen sind. Sein Lachen schmilzt alle Herzen, und so ist er oft der Liebling von vielen Besuchern. Hames’ leibliche Mutter kommt oft zu Besuch. Sie ist in Prostitution, Alkohol und Drogen verwickelt und deswegen wohnt Hames bei uns. Sein kleiner Bruder wohnt jedoch bei seiner leiblichen Mutter und seiner Oma. Wenn seine Mama zu Besuch kommt ist Hames oft sehr zögernd und hat sich auch schon einmal weinend an mich geklammert, da er nicht zu ihr wollte.
Hector ist ein wirklicher Sonnenschein. Er weint fast nie und was ihn sehr von den anderen unterscheidet: er schlägt nie zu, beißt oder kneift. Er schlägt nicht mal zurück. Er ist der zweit älteste der „Morgengruppe“ und kann sich super selber beschäftigen, mag es aber auch sehr, sehr gerne durch die Luft gewirbelt zu werden. Er rennt wirklich meistens laut lachend durch die Gegend, und obwohl er natürlich auch manchmal ein bisschen weint, ist er der Einzige, den ich bis jetzt noch nie schreiend und heulend auf dem Boden liegen habe sehen.
Gualalupe ist ein bisschen zurückhaltender. Erst jetzt fängt es so langsam an, das sie auch mal zu mir kommt, um mit mir zu spielen. Sonst ist sie immer sehr territorial, vor allem mit den anderen Kindern. Wenn ihr etwas weggenommen wird schreit sie einfach meistens wie am Spieß, bis sie das Spielzeug wieder zurück bekommt. Sie hat aber auch einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn; sie ist zum Beispiel oft auf mich oder die anderen Mitarbeiter sauer wenn wir einem anderen Kind etwas wegnehmen, womit sie nicht spielen dürfen. Gualalupe ist momentan das einzige Kind bei uns mit Adoptiveltern. Dieser Prozess dauert hier oft 1-2 Jahre. In dieser Zeit kommen ihre Eltern jeden Freitag zu Besuch.
Sandra hatte eine harte Woche. Wegen jeder Kleinigkeit hat sie sich auf den Boden geworfen und geschrien, als würde die Welt untergehen. Sonst ist sie aber ein unglaublich liebenswürdiges Mädchen. Oft hängt sie sich einfach Stunden an meine Schürzte hintendran und folgt mir überall hin. Ich weiß leider weder warum sie bei uns wohnt, noch ob sie noch Kontakt mit ihrer leiblichen Familie hat.
Maria Laura (oder oft einfach nur Laura) ist wahrscheinlich die ruhigste und verträumteste von allen Kindern. Vor allem wenn sie jemanden nicht kennt steht sie erst mal ganz lange da und schaut sich mit ihren großen Augen die Welt an. Manchmal wird sie aber auch so anhänglich, das es einen Stunden daran hindert etwas anderes zu tun. Ich glaube, dass ich ihr als kleines Kind am ähnlichsten gewesen bin. Ihr Großvater kommt oft zu Besuch. Ihr große Schwester hat auch mal in der Maternidad gewohnt, lebt jetzt aber bei diesem Großvater.
Pedrito (eigentlich Pedro) ist 11 Monate alt. Er wurde in dem Bad eines Marktes samt Placenta gefunden. Somit hat auch er keinen Kontakt zu seiner Familie. Pedrito ist der absolute Liebling der ganzen Maternidad. Oft kommen Frauen aus anderen Abteilungen, nur um ein bisschen mit ihm zu spielen. Er fängt gerade an aufzustehen und versucht immer mehr zu laufen. Die Vorschritte, die er schon gemacht hat seit dem ich angefangen habe, sind unglaublich.
Sarita (eigentlich Sara) ist ein unglaublich liebes Mädchen. Auf Grund ihrer Behinderung kann sie leider nur sitzen und hat einen Fäkalkollektor (also einen Beutel, der bei ihr am Darmausgang angeklebt wird). Vor kurzen hatte sie eine Herzoperation, aber ihr geht es momentan sehr gut. Sie liebt es zu tanzen, zu singen und versucht alles zu wiederholen, was du sagst. Wie gesagt ist sie oft sehr ruhig und fällt manchmal in dem Chaos der ganzen anderen ein bisschen in der Hintergrund, aber immer wenn ich kann sitze ich super gerne einfach lange bei ihr und singe und tanze mit ihr. Sie wirft auch sehr gerne allen Handküsse zu.
Fernando ist der jüngste; er ist gerade mal 4 Monate alt. Manchmal kommt seine Oma zu Besuch. Da er oft nur in seinem Bett liegt oder bei einer Mitarbeiterin auf dem Arm, kann ich noch nicht wirklich viel über ihn schreiben.
Oh Santiago! Er hat wirklich schon einen festen Platz in meinem Herzen gefunden und die anderen scherzen oft, in dem sie sagen: „Es tu hijo, no?“ (Er ist dein Sohn, oder?). Santiago ist blind und kann nicht alleine sitzen. Oft verkrampft er sich in ein totales Hohlkreuz. Somit ist auch alles Essen, was nicht in Form einer Flasche kommt, sehr schwierig für ihn, da er seinen Mund nur begrenzt kontrollieren kann. Aber er regiert auf seinen Namen und liebt es auf die Wange geküsst zu werden. Wenn er anfängt zu lächeln oder zu lachen geht einem wirklich das Herz auf. Santiago hat einen erwachsenen Bruder, der jeden Samstag zu Besuch kommt. Da ich Samstag aber nicht arbeite, hab ich ihn noch nie gesehen.
Michelle (kein Foto) ist erst seit 4 Tagen bei uns. Als ich sie das erste Mal gesehen habe, dachte ich sie ist vielleicht 1 Monat alt, aber eigentlich ist sie schon 9 Monate alt. Sie ist sehr krank und schwach. Ich habe sie noch nie weinen sehen, denn ich glaube dazu hat sie nicht die Kraft. Sie muss mit einer Sonde gefüttert werden, da sie nicht die Kraft hat aus einer Flasche zu trinken. In den ersten Tagen musste ich immer wieder daran denken, wie verwirrt dieses kleine Wesen doch sein muss, mit lauter fremden Leuten um sie herum. Zum Glück kommt ihr Vater aber bis jetzt jeden Tag zu Besuch. Ihr Mutter hat sich nie um sie gekümmert und ihr Vater sich kann auf Grund seiner Arbeit, Geldproblemen und Michelles Krankheit nicht umfangreich um sie kümmern.
Luciana (kein Foto) ist erst vor kurzem wieder zurück gekommen. Sie war davor 1 oder 2 Monate in Lima in einem speziellen Krankenhaus. Was für eine Behinderung sie hat weiß ich nicht genau, aber sie ist immer total nach hinten gebogen und hat einen leicht verschobenen Kopf. Außerdem kann sie leider gar keine Nahrung durch den Mund zu sich nehmen, auch nicht mit der Flasche. Die Nahrung wird ihr püriert durch einen Eingang direkt in den Magen gegeben. Seit 2 Wochen ist sie leider wieder im Krankenhaus hier in Chimbote, da sie große Probleme mit ihrem Herz hat.
Das waren alle Kinder, die am Morgen da sind. Kengy, Mary, Diego und Angela gehen morgens in den Kindergarten.
Kengy ist 3 Jahre alt, aber erst seit einem knappen Jahr in der Maternidad. Seine Mutter war 15 Jahre alt als sie ihn bekommen hat und ist Alkoholikerin. Seine Familie wurde erst eine Zeit lang medizinische durch Hausbesuche von der Maternidad betreut, bevor Kengy in das Kinderheim gezogen ist. Kengy kann leider noch nicht reden, ist aber trotzdem sehr mitteilungsfreudig.
Diego ist der zweit Älteste der Kinder und albert unglaublich gerne herum. Er hat eine Gehbehinderung und muss deswegen jeden Tag zur Physiotherapie. Diego lacht gerne lauthals über die verschiedensten Sachen, leidet aber manchmal sehr unter der ältesten, Mary. Sie ist oft sehr gemein zu ihm.
Angela ist 3 Jahre alt. Sie ist ein sehr taffes und freches Mädchen. Ihre Oma kommt manchmal zu besuch. Angela liebt unsere Babys, aber man muss sie sehr oft zurückhalten, dass sie sie nicht einfach erdrückt, wenn sie den kleinen einen Kuss geben möchte. Wegen ihrer taffen Art habe ich manchmal das Gefühl, dass sie von meinen Kolleginnen zu streng behandelt wird und sehr selten eine Umarmung oder einen Kuss bekommt. Wenn sie manchmal einfach nur Stunden auf meinem Schoß sitzt, meinen die anderen oft sie soll doch lieber "wie ein großes Mädchen" spielen gehen.
Mary... Mary ist die Älteste und bis jetzt fällt es mir am schwersten mit ihr umzugehen. Am Anfang dachte ich sie wäre einfach ein bisschen kindlicher, weil sie nur von kleiner Kindern umgeben ist, aber sie wenn ich das richtig verstanden habe, hat sie auch eine mentale Behinderung. Mary ist oft sehr aggressiv, vor allem gegenüber Diego und Angela. Auch ich hab schon des Öfteren eine paar Schläge oder geworfene Spielsachen abbekommen. Aber in den ruhigen Momenten alleine mit ihr, ist sie auch ein unglaublich liebes Mädchen. Auch wenn sie sehr springhaft ist und sich schwer konzentrieren kann, macht es total Spaß ihre Begeisterung beim malen und basteln zu sehen. Leider habe ich manchmal das Gefühl, dass wir alle ein bisschen verfahren sind in dem Umgang mit Mary. Jeden Tag kommt irgendwann der Punkt, wo sie die anderen Kinder schlägt. Dann darf sie nicht mehr spielen und fängt an zu weinen und schreien. Oft schlägt sie dann einfach um sich. Meisten wird sie dann erst mal geduscht, damit sie sich beruhigt. Manche Frauen, wie Magaly, Gladys oder Pilar können besser mit ihr umgehen, da Mary mehr auf sie hört, aber ich hab immer wieder meine Probleme mit ihr.