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Meine ersten Tage in Peru - Lima

Wir stehen an einer großen Straße in der Nähe des Flughafens. Taxis, Kollektivos und Busse rasen an uns vorbei in das nächtliche Lima, aber wir bleiben am Straßenrand stehen. Worauf wir warten weiß ich nicht. Es scheint mir, als wären schon Kollektivos in jede X-Beliebige Richtung an uns vorbei gerauscht.
Alle gucken gespannt auf die Kurve, hinter der die Autos hervorschießen. An der Haltestelle halten gefühlt immer mindesten 4 Kollektivos, Taxis und Busse gleichzeitig, hupen sich gegenseitig an und versuchen sich die Wege abzuschneiden um selber möglichst viele Passagiere mitnehmen zu können. Endlich wird „Plaza Norte“ geschrien und da wollen wir anscheinend hin. Also zwängen meine Mama, mein Onkel, mein Cousin, zwei meiner Cousinen, die Tochter der einen und ich uns in einen Bus. Unser Kollektivo ist, wie die meisten, ein komplett zerbeulter Kleinbus mit einer Schiebetür.
Im Inneren des Wagens gibt es Bänke, mit schwarzen Lederpolstern. Eine Lichterkette, die an der rechten Seite der Decke angebracht ist, taucht alles in ein recht gemütliches Licht. Der Fahrer, ein ungefähr 20-Jähriger Peruaner, manövriert sich durch den Verkehr. Die Luft ist erfüllt von dem Hupen der Autos. Hupen wird hier nicht als Warnsignal benutz, sondern für alles von „Vorsicht-Hier-Komme-Ich“ bis zu „Ich-wechsel-jetzt-die-Spur“. Interessieren, ob der Autonachbar gerade hupt, tut es bei dem inflationären Gebrauch der Hupe niemanden mehr. Blinker werde so gut wie nie eingesetzt und auch „Vorsortieren“ vor einer Kreuzung gibt es nicht. Irgendwie schaffen die Autos es immer von der linksten Spur nach rechts abzubiegen. Auf der zweispurigen Straße drängen sich die Autos in mindesten drei Schlagen. Obwohl, das ist eigentlich auch schon falsch: es gibt gar keine Schlangen, sondern ein sich ständig neuordnendes Geflecht aus Taxis, Kollektivos und Bussen.
Der zweite „Mitarbeiter“ unseres Kollektivos ist ein Junge. Er steht an der Schiebetür, reißt sie auf bevor wir zur nächsten Haltestelle kommt und wirbt dort lautstark für neue Passagiere. Wenn wir weiterfahren, knallt er die Tür zu, die schon so verbeult ist, dass sie nicht mehr ins Schloss fällt, und lehnt sich aus dem Fenster der Schiebetür.
Der Junge ist ungefähr 16 Jahre alt, trägt Jeans, eine Fußballtrikot und eine Nike-Kappe. Auf seiner dunklen Haut bilden sich an seinem Kinn und seinem Unterarm zwei längliche Narben ab. Nach 15 Minuten fängt er an das Geld für die Fahrt einzusammeln. 2,3 Soles pro Person, umgerechnet 61 Cent. Nach welchen Kriterien er wann, welche Passagiere abkassiert ist mir nicht klar. Uns so rasen wir also fast eine Stunde in den Norden Limas, zu dem Viertel in dem meine Oma wohnt.

Aber mal der Reihe nach. Das war am Samstag. Am Mittwoch davor stand ich um 21 Uhr Ortszeit müde, aber glücklich auch auf dem Parkplatz des Flughafens von Lima. Mit den anderen 13 „weltwärts“-Mitglieder blieb ich eine Nacht im Zentrum von Lima, weil wir am nächsten Morgen zur Deutschen Botschaft mussten. Am ersten wirklichen Tag in Lima, haben wir nicht viel von der Stadt gesehen, da wir nur wegen unserem Visum bei der Botschaft waren, und dann sind wird zum einem Haus etwas außerhalb gefahren. Es war toll nochmal in dem vertrauten Kreis der anderen zu sein, bevor ich am nächsten Tag von meiner Gastmama und meinem Gastbruder abgeholt wurde.

Am Freitag sind wir zusammen zu meiner Oma gefahren, die, anders als meine Familie, in Lima wohnt. Lima: eine total lebendige, laute Stadt. In den Wohnviertel (oder zumindest denen die ich gesehen hab) wird selten über den zweiten Stock gebaut. Außerdem dem sind viele alle Häuser unverputzt und haben meist ein unfertiges Stockwerk. Dafür hab ich bis jetzt zwei Erklärungen gehört: 1. auf ein unfertiges Haus muss man keine Steuern zahlen und 2. jede Familie baut einfach das nächste Mal, wenn sie wieder Geld haben, ein bisschen an ihrem Haus weiter. Meine Abuelita ist im Stehen ungefähr so groß wie ich im Sitzen und eine wunderbar herzliche Frau. Am Samstag kam dann meine Vorgängerin, Melanie, die gerade einen Monat durch Peru, Bolivien und Chile gereist war. Es war super, sie mal wirklich zu sehen, und nicht nur über Facebook oder Skype zu kommunizieren. Insgesamt habe ich mich überall sehr wohl gefühlt. Am Samstagabend haben wir sie dann zum Flughafen gebracht, eine sehr komische Vorschau auf das was mir in einem Jahr bevorsteht. Aber jetzt bin ich ja erst mal hier, gut aufgehoben in einer total herzlichen Familie.

Am Sonntag hab ich mich schon auf einen etwas langweiligen Tag vor dem Fernseher eingestellt, als Jessica, meine Cousine, zu mir kam und irgendwas mit „Vamos...Piscina“ fragte. Ich willigte natürlich freudestrahlend ein und, kurz darauf waren wir zu sechst auf den Weg in ein Schwimmbad. Es war fast eine kleine Oaste; ein Fleck Grün, das am Fuß von zwei staubigen Bergen klebt. Ein kleines Schimmbecken, Wiese, Schaukeln und Wippen, absolut überfüllt, mit allen die aus dem heißen, staubigen Lima flüchteten. Obwohl wir alle schon unsere Bikinis anhatten, gingen wir zum ausziehen trotzdem in die Umkleide. Dort im Spiegel wurde mir auf einen Schlag klar, warum mich alle so anstarren. Ich stehe wegen meiner Haut-, Augen- und Haarfarbe und vor allem auch meiner Größe im wahrsten Sinne des Wortes heraus.

Ein Tag darauf, am Montag, machten sich mein Bruder, meine Mama und ich um 8 Uhr morgen auf zum Plaza Norte um von dort mit dem Bus nach Chimbote zu fahren. Und wegen meinem Jetlag machte mir das Frühaufstehen zur Abwechslung mal garnichts aus.

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